Gewalt gegen Frauen – Hier findest du schnelle Hilfe [Interview]

Stop Gewalt gegen Frauen

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Was du machen kannst, wenn du von Gewalt in der Beziehung betroffen bist oder wenn du jemanden kennst, das verrät Elisabeth Oberthür, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit der Frauenhauskoordinierung, in diesem Interview.

Jede dritte Frau in Deutschland ist oder war schon mal von Gewalt in der Beziehung betroffen.

Das heißt, dass auch du ganz sicher mindestens eine Frau kennst, die häusliche Gewalt erlebt hat oder gerade erlebt. Häufig passiert es im Stillen.

Viele Frauen trauen sich nicht darüber zu sprechen, dabei ist es so wichtig dem Thema eine Bühne zu bieten. Wir, als We Go Wild, möchten einen Beitrag dazu leisten.

Dieses Interview sollte allen Frauen helfen, die selbst betroffen sind oder jemanden kennen, der in einer gewalttätigen Beziehung steckt.

Ich verabrede mich mit Elisabeth Oberthür, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit der Frauenhauskoordinierung in Deutschland, zu einem Google Meeting. Was sich anfangs schon etwas schwer gestaltet. Wir bekommen Ton und Bild nämlich nicht zum Laufen. Und das ist auch gut so.

Denn die Laptops und Computer der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Frauenhaus sind besonders gut geschützt. Schließlich soll kein Täter die Möglichkeit haben, an irgendwelche Daten zu kommen.

Letztlich gelingt uns das Interview zum Glück mit einigen Sicherheitsvorkehrungen in einem anderen Video-Chat-Programm doch.

Wie kann häusliche Gewalt aussehen und was fällt darunter?

Elisabeth Oberthür: Der Begriff häusliche Gewalt ist irreführend. Denn es geht nicht um Gewalt im Haushalt, sondern um Gewalt im engen Umfeld. Der Täter kann der Partner, Ex-Freund, Vater oder Bruder des Opfers sein.

Wenn man von Gewalt hört, denkt man zuerst ans klassische blaue Auge oder an Schläge. Dabei ist Gewalt so viel mehr.

Meistens beginnt es mit psychischer Gewalt. Das können Beschimpfungen sein, dass die Frau kleingehalten wird oder ihre Wahrnehmung infrage gestellt wird.

Ein großes Problem ist soziale Gewalt. Dabei werden Frauen von ihrem Umfeld isoliert.

Video-Empfehlung

Dem Täter geht es immer um Kontrolle. Er kontrolliert, wann sie mit wem Kontakt hatte, wo sie war, mit wem sie telefoniert und was sie tut.

Meistens spielen all diese Formen von häuslicher Gewalt ineinander. Und erst dann kommt es zu körperlichen Übergriffen.

An diesem Punkt sind viele Frauen psychisch gebrochen und haben wenig Selbstwert. Es wird für sie immer schwerer sich aus der Situation herauszulösen. Die Gewaltformen verstärken sich gegenseitig. Im schlimmsten Fall kann solche Partnerschaftsgewalt sogar in einem Femizid münden (Anmerkung: Tötung von Frauen aufgrund ihres Geschlechts).

Man muss ich das Mal vor Augen halten: Jeden dritten Tag wird in Deutschland eine Frau von ihrem Partner oder Ex-Partner umgebracht. Und jeden Tag gibt es einen Tötungsversuch.

Den meisten Leuten ist nicht bewusst, dass häusliche Gewalt mehr ist als nur ein blaues Auge. Gewalt in einer Partnerschaft beginnt aber schon da, wo eine Beziehung von Kontrolle oder Macht geprägt ist. Dann, wenn jemand psychisch oder physisch übergriffig wird.

Wie steht es um ökonomische Gewalt? Ist das noch immer ein Thema?

Ökonomische Gewalt ist ein Faktor, der stark unterschätzt wird. Viele Frauen haben das Gefühl sich nicht von ihrem gewalttätigen Partner trennen zu können, weil sie finanziell abhängig sind. Oft sind auch Kinder im Spiel, wodurch die ganze Situation noch schwieriger wird.

Immer dann, wenn der Partner die finanziellen Ressourcen einschränkt oder kontrolliert, spricht man von ökonomischer Gewalt. Plötzlich hat die Frau keinen Zugriff mehr auf das eigene oder gemeinsame Konto oder darf selbst kein Geld verdienen. Sie bekommt Geld vom Partner zugeteilt und steht dadurch in einer starken Abhängigkeit.

Über den Zugang zu Geld kontrolliert der Partner, was die Frau machen kann/darf und was nicht. Sich Eigenständigkeit zu bewahren, kann daher ein sehr wichtiger Faktor in Beziehungen sein.

Wann wird es Zeit sich Hilfe zu holen?

Das ist schwer zu beantworten. Jeder Fall ist anders. Eine Frage, die sich stellt: Wann bemerken Menschen, dass es sich um Gewalt handelt, was sie gerade erleben?

Je eher man selbst oder das Umfeld die Anzeichen erkennt, desto eher und leichter kann man intervenieren. Wenn also die Gewaltspirale noch nicht so fortgeschritten ist.

Es kommt für viele auch darauf an, wie groß das Abhängigkeitsverhältnis ist und ob Kinder im Spiel sind. Sehr viele Frauen sind gehemmt die Beziehung zu beenden, wenn sie Kinder haben. Deshalb bleiben sie länger bei ihrem gewalttätigen Partner.

Die meisten Frauen, die ins Frauenhaus kommen, erleben schon länger physische und psychische Gewalt. Die wenigstens lösen die Beziehung nach der ersten Ausschreitung.

An wen kann ich mich wenden?

Das hängt unter anderem davon ab, welche Gewalt man erlebt und welche Unterstützung man durch das eigene Umfeld erfährt.

Bei physischer Gewalt und immer, wenn man sich bedroht fühlt, sollte man die Polizei rufen. Die Polizei kann den Täter aus der Wohnung verweisen.

Oft fällt es Frauen schwer den Partner der Polizei „auszuliefern“. In so einem Fall gibt es viele andere Möglichkeiten.

Generell empfehle ich eine Beratungsstelle zu kontaktieren. Es gibt das bundesweite Hilfetelefon, es ist rund um die Uhr und jeden Tag verfügbar. Wer nicht telefonieren kann oder möchte, kann die Chatfunktion nutzen. Das Hilfetelefon richtet sich nicht nur an Betroffene, sondern auch an Angehörige.

Wenn ich also weiß, dass eine Freundin Gewalt erlebt, aber nicht weiß, wie ich damit umgehen soll, dann kann ich mir hier Tipps holen.

Auch im Frauenhaus kann jede Frau Schutz suchen, die häusliche Gewalt erlebt.Egal, ob physisch oder psychisch. Hier finden Betroffene Unterschlupf und werden beraten. Unter www.fh-suche.de kann man deutschlandweit Frauenhäuser suchen und die Kontaktdaten finden.

Wie hat sich die Situation während Corona entwickelt?

Die polizeilichen Statistiken zeigen, dass es einen Anstieg häuslicher Gewalt gegeben hat. Auch die Beratungsstellen melden, dass die Nachfrage gestiegen ist.

In den Frauenhäusern selbst ist es von Region zu Region unterschiedlich. Einige Frauenhäuser haben noch viel Platz – das ist beängstigend. Es zeigt nämlich, dass die Hilfesuchenden nicht in den Frauenhäusern ankommen und viele nach wie vor bei ihren gewalttätigen Partnern sind.

Viele Frauen fürchten sich zu gehen, da der Partner zuhause ist. Sie können nicht unbemerkt die Koffer packen oder telefonieren.

Einige haben auch Angst vor einer Corona Ansteckung im Frauenhaus. Dazu kann ich nur sagen: Die Frauenhäuser führen regelmäßig Corona-Tests durch und ermöglichen auch Impfungen. Sie zählen zur priorisierten Impfgruppe 2.

Was sollte ich keinesfalls machen, wenn ich von Gewalt betroffen bin?

Diese Frage finde ich sehr gefährlich formuliert. Sie drückt nämlich aus, dass das Opfer etwas tun muss oder etwas anders tun hätte sollen. Das rückt den Sachverhalt in ein falsches Licht.

Wir fragen auch niemanden, dessen Auto gestohlen wurde, warum er es an dieser Stelle geparkt hat. Aber ich verstehe, was du damit ausdrücken willst.

Sich nicht helfen zu lassen und keine Hilfe zu suchen – das sollten Betroffene vermeiden. Es ist wichtig jetzt den Mut zu fassen, jemanden zu informieren. Egal, ob Freunde oder eine Beratungsstelle.

Mit dem Problem alleine zu bleiben, ist der größte Fehler.

Was kann ich machen, wenn jemand aus meinem Umfeld von häuslicher Gewalt betroffen ist?

Zuerst mal muss ich merken, dass etwas nicht stimmt. Die häufigsten Anzeichen: Jemand zieht sich aus dem sozialen Leben zurück. Eine gute Freundin meldet sich plötzlich nicht mehr oder man kann sie nicht mehr treffen. Wenn man mit ihr telefoniert, kann sie nicht entspannt sprechen.

Immer dann, wenn man solche Veränderungen im Verhalten wahrnimmt, sollte man intervenieren.

Man sollte nicht darauf warten, bis der erste blaue Fleck oder Kratzer zu sehen ist. Gewalt beginnt schon viel früher.

Als Freundin, Schwester, Bekannte oder Mutter sollte man sich ans Herz fassen und Hilfe anbieten. Die Frage „Ist alles in Ordnung?“ kann so viel bewirken.

Oft lassen sich Betroffene anfangs nicht helfen. Sie stehen unter Druck und haben Angst. Hier muss man Geduld haben, es ist nämlich nicht möglich sich in diese Situation hineinzuversetzen.  Als Außenstehende muss man etwas zeigen: „Wenn du Hilfe brauchst, bin ich für dich da.“

Wenn es in der Nachbarschaft wieder lauter wird, könnte man bei der Nachbarin klingeln und nach einem Päckchen Mehl fragen. Das entschärft die Situation oft und man gibt der Frau zu verstehen, dass man sie hört und für sie da ist.

Aber natürlich muss man aufpassen. Ist der Partner sehr aggressiv, steckt man plötzlich selbst mittendrin. In so einem Fall ruft man besser die Polizei.

Ich sage immer: Lieber einmal zu oft die Polizei rufen, als zu wenig.

Vor allem müssen wir endlich auch an all jene appellieren, die Gewalt ausüben. Sie müssen verstehen, dass  das nicht in Ordnung ist. Wenn wir alle Betroffene kennen, kennen wir auch alle Personen, die Gewalt ausüben.

Im Freundeskreis kann man einschreiten und dem Täter mitteilen, dass Gewalt nicht akzeptiert wird. Viel zu oft denken nur an das Einschreiten auf der Seite der Betroffenen, aber die Gewalttäter müssen ihr Verhalten ändern.

Wichtige Informationen für Betroffene und Angehörige

Deutschland

Frauenhäuser: www.fh-suche.de

Hilfetelefon für Gewalt gegen Frauen: www.hilfetelefon.de oder 08000 116 016 Beratungen sind im Chat, als E-Mail oder telefonisch möglich. Die Beratung findet in 17 Sprachen statt.

Österreich

Frauenhäuser: www.aoef.at – Autonome österreichische Frauenhäuser

Beratungsstellen für Frauen bei Gewalt

Hilfetelefon für Gewalt gegen Frauen: 0800 222 555

Schweiz

Frauenhäuser: www.frauenhaus-schweiz.de

Hilfetelefon für Gewalt gegen Frauen: 052 720 39 90

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